Aquarell Online Galerie
Hans Heibl
Aktuell

3.Jahresausstellung 2005
Galerie am Markt in Neubeuern

Künstlerkreis Neubeuern
4. bis 13. November und 9. bis 18. Dezember 2005
Vernissage am Freitag, den 4.November 2005, 18 Uhr

Laudatio von Thomas Stockerl

Ich darf sie recht herzlich zur dritten Ausstellung des Künstlerkreises Neubeuern begrüßen. Ich wurde gebeten wieder ein paar einführende Worte zu sprechen. Nachdem es mir bereits in meiner letzten Rede nicht gelungen ist, zu erklären, "was Kunst jetzt eigentlich sei", möchte ich mich heute mit zwei ähnlichen Fragen beschäftigen, die bei der Betrachtung von Kunstwerken immer wieder auftauchen und an denen sich, wie man so schön sagt, häufig die Geister scheiden,

1. Zeigen vor allem gegenständliche Bilder die wirkliche gestalterische Kraft und das wirkliche Können des Künstlers.
2. Sind abstrakte Bilder dagegen wirklich beliebig, so dass auch der Fachmann, wenn er ehrlich ist, ihren Wert und ihrer Bedeutung schwer oder nicht einschätzen kann.

Dazu darf ich sie auf zwei kleine Ausflüge in die Kunstgeschichte einladen. Rene Magritte (belg. Surrealist) malte im Jahre 1929 ein kleines, unscheinbares Bild. Zu sehen ist dort eine Tabakspfeife wie sie jedermann kennt. Wie ein Ausstellungsstück in einer wissenschaftlichen Sammlung schwebt diese Pfeife vor einem Hintergrund mit ausgeprägte Holzmaserung. Die Pfeife selbst ist hinlänglich gemalt - man erkennt das besondere Holz aus dem Sie geschaffen wurde, sie glänzt dort wo Pfeifen eben glänzen und hebt sich überzeugend plastisch heraus. Ansonsten scheint dieses Bild ebenso belanglos wie der darauf abgebildete alltägliche Gegenstand "Pfeife".
Wäre da nicht dieses Schild unter der Pfeife. Es ist ebenfalls gemalt und scheint eines der gebräuchlichen Messingtäfelchen zu sein, in denen üblicherweise der Name des wissenschaftlichen Artefaktes eingraviert ist. Nur steht hier nicht "Tabakspfeife" geschrieben, sondern die Feststellung: "Ceci n´est pas une pipe".
Magritte scheint einen üblen Scherz mit uns zu machen. Eben noch das täuschend gemalte Abbild einer Pfeife und jetzt die dem widersprechende Behauptung "Dies sei keine Pfeife". Nach kurzem Nachdenken allerdings versteht man den Scherz: Natürlich ist dies keine Pfeife, es ist das Bild einer Pfeife. Aber das wissen wir ja und warum muss man diesen Kalauer dem Betrachter extra noch einmal auf die Nase binden.

An dieser Stelle eine kleine Zeitreise, 500 Jahre zurück in die Vergangenheit Leonardo da Vinci der Maler der Mona Lisa ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens angelangt. Er ist fasziniert davon die wirkliche Welt in seinen Bildern neu zu erschaffen. Kraft seiner Imagination will er es dem Schöpfer gleich tun und mit jedem Pinselstrich spürt er dem Hauch des wirklichen Lebens nach. Der Traum die Wirklichkeit zu erreichen, vielleicht zu übertreffen, scheint ihn voranzutreiben. Wirft man einen Blick auf seine Tagebuchaufzeichnungen, so findet man erstaunlicherweise keine Berichte über seine Erfolge auf diesem Weg, sondern er beschreibt seine Verzweifelung angesichts seiner Misserfolge. Desto mehr er sich technisch und künstlerisch entwickelte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass seinen Bildern das letzte Quäntchen Lebendigkeit für immer fehlen wird. Ihm wurde bewusst das ein Bild für alle Ewigkeit eine Stück Tuch bemalt mit Farben und Formen bleiben wird. Das erinnert doch sehr an den Traum des zyprischen Bildhauers Pygmalion: Er erschuf eine wunderschöne Elfenbeinstatue, die schließlich wie eine lebendige Frau aussieht. Er behandelt das Abbild immer mehr wie einen echten Menschen und verliebt sich schließlich in seine Kunstfigur. Am Festtag der Venus fleht Pygmalion zu der Göttin der Liebe: Zwar traut er sich nicht zu sagen, seine Statue möge zum Menschen werden, doch bittet er immerhin darum, seine dereinstige Frau möge so sein wie die Statue. Venus erhört seinen geheimen Wunsch: Als er nach Hause zurückkehrt und die Statue wie üblich zu liebkosen beginnt, wird diese langsam zu einem lebendigen Wesen.

Zurück ins 20. Jh. zu Rene Magritte: Ihm ist dies natürlich alles sehr bewusst. Magritte verweist in seinem Gedankenspiel mit der Pfeife auf die Unmöglichkeit die Wirklichkeit in Bildern wiederzugeben. Das was wir als Betrachter eben noch für eine vortreffliche Pfeife hielten, ist eben nur Farbe. Niemand von uns war bereit das Bild- also die Kombination und Anordung von Farben auf Leinwand zu sehen - wir alle bewunderten die Pfeife die ja gar keine ist.
Was ist das besondere des Gebildes Bild, im Vergleich zum wirklichen Gegenstand Pfeife. Warum sind wir überhaupt in der Lage die Wirklichkeit in den tagtäglichen Bildern die in den Medien an uns vorbeiflimmern zu erkennen, wo es doch nur Bilder sind. Was unterscheidet die wirkliche Welt und ihre Abbilder voneinander.

Nach Leonardo ist es die Lebendigkeit die ihnen fehlt. Was tat ein schöpferischer Mensch wie Leonardo, der sein schöpferisches Ziel Leben, Lebendigkeit nicht erreichen konnte. Leonardo wandte sich mit zunehmendem Alter der Mathematik zu, die erwiesenermaßen nicht die Welt abzubilden versucht, sondern im ureigensten Sinne aus sich selbst heraus Gebilde aus Zahlen und geometrischen Formen erschafft. Hier konnte er befreit von dem Zwang etwas abzubilden, schöpferisch oder besser erfinderisch sein. Ganz interessant an dieser Stelle: nur etwa 50 Jahre nach Leonardo entwickelt der Maler Giuseppe Arcimboldo die Idee, das Farben eine eigene Sprache seine könnten. Er experimentierte mit einem Farbenklavier. Es sollte zu Musik, zu Tönen, gleichzeitig entsprechende Farben erscheinen lassen. Heutige Künstler arbeiten natürlich mit dem Bewusstsein, das Bilder eine ganz eigene, durchaus mit Musik vergleichbare Sprache sind, ganz egal ob man in ihnen ein Stück Wirklichkeit erkennt oder eben nicht. Der Wert eines Bildes, seine schöpferische Kraft kann sich auf dem Weg der Abbildung ebenso entfalten wie im Abstrakten. Besonders die abstrakten Bilder erleichtern uns allerdings die Wahrnehmung dieser eigenen Sprache der Bilder. Man muß sich nur ein wenig darauf einlassen. Sagen wir einmal die Musik von Kunst erfordert aktive Sehgewohnheiten.

Zum Abschluss einige Vorschläge zur Belebung dieser Ausstellung. Stellen sie sich einige Minuten vor ein Bild und versuchen Sie seine Musik zu hören. Spüren Sie seiner Melodie nach, besser noch, singen sie diese. Trällern, säuseln, summen sie seine Farben, Rhythmen. Ist es eine leise, zarte einfache Melodie aus Farbtönen und Gebilden die gerade deswegen mit unerwartete Kraft in ihnen widerhallen. Oder ist die Orchestrierung laut, vielstimmig, wuchtig so dass sie seine Musik als Arie schmettern müssten. Oder vielleicht bei meinen Bildern, hören sie die unrunden Dissonanzen sich widersprechender Klangfolgen, das unerwartete Querschlagen einiger Instrumente. Wenn ihnen der Mut zum Singen fehlt, so dürfen sie die Melodie des Bildes natürlich gerne auch tanzen.

Damit wünsche ich Ihnen jetzt ganz besonders viel Vergnügen bei der Betrachtung der vielen unterschiedlichen Werke der Neubeurer Künstler.

Stand: 12. November 2005 | Kontakt